Heimat- und Traditionsverein Hallbergmoos

Wir führen Heimat, Tradition und Gegenwart zusammen

Vorwort

Das Ende des 2. Weltkriegs zog die größte Bevölkerungsverschiebung der Menschheitsgeschichte nach sich. In ein vom Krieg zerstörtes Deutschland kamen 12 bis 14 Millionen Flüchtlinge und Heimatvertriebene, eine unvorstellbare Dimension. Doch auch in Polen gab es eine gewaltige Bevölkerungsverschiebung vom Osten in die ehemals deutschen Siedlungsgebiete. Und nicht zu vergessen die jüdischen Einwanderungen nach Palästina durch die den Holocaust überlebenden Juden. So gab es über Jahre eine gewaltige „Völkerwanderung“ von Ost nach West in heute nicht mehr vorstellbaren Dimensionen. In diesem Sammelblatt sollen Heimatvertriebene, Flüchtlinge und Wehrmachtssoldaten aus den Ostgebieten, die nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren durften, zu Wort kommen. Daneben auch Hallbergmooser, die über die damalige Situation berichten können, ergänzt um schriftliche Aufzeichnungen Betroffener.

Ausgangssituation

Das Näherrücken der Roten Armee in Osteuropa setzte eine riesige Flüchtlingsbewegung in Gang. Die ersten Flüchtlingstrecks kamen aus Südosteuropa, dass durch die Rote Armee im Herbst 1944 erobert worden ist. Mit dem Beginn der Winteroffensive der Roten Armee am 12. Januar 1945 kamen auch die
Flüchtlingstrecks aus Ostpreußen, Pommern und Schlesien, wobei einige auch mit Zügen evakuiert wurden. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs setzte dann die Vertreibung der Deutschen aus ihren angestammten Siedlungsgebieten ein. So kamen ungefähr 12 Millionen Menschen durch Flucht und Vertreibung laut Statistischem Bundesamt in die beiden deutschen Staaten, davon ca 7 Millionen aus der Westverschiebung Polens aus Schlesien, Neumark, Pommern und Ostpreußen. Ca 3 Millionen aus dem Sudetenland sowie ca. 0,8 Millionen aus Osteuropa und ca 0,67 Millionen aus Polen. In den Freistaat Bayern kamen 1,7 Millionen Flüchtlinge und Heimatvertriebene bei ca 8 Millionen Einwohnern. So spricht man von den Sudetendeutschen als dem vierten Stamm der Bayern.

Diese gewaltigen Dimensionen an vertriebenen Menschen, die sich auch auf Hallbergmoos auswirkten, fanden in den beiden Chroniken unserer Gemeinde so gut wie keinen Niederschlag. So wurde lediglich auf die Einwohnerzunahme durch die Flüchtlinge verwiesen. So hatte Hallbergmoos nach der Volkszählung vom 17. Mai 1939 1309 Einwohner und bei der nächsten Volkszählung vom 13. September 1950 waren es 1831 Einwohner. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im 2. Weltkrieg 58 Soldaten gefallen waren und 23 als vermisst galten, namentlich eingraviert auf dem Kriegerdenkmal. Der Geburtenüberschuss gegenüber den Sterbefällen betrug laut Eintragung in den amtlichen Büchern von 1940 bis 1950 117, wobei die Gefallenen
aus den Sterbebüchern bereits herausgerechnet wurden. Somit betrug der Einwohnerzuwachs unter Berücksichtigung der Gefallenen, Vermissten und des Geburtenüberschusses 486 Personen. Bei diesen knapp 500 Personen dürfte es sich um Flüchtlinge gehandelt haben. Das bedeutet, dass auf die 1309
Einwohner von 1939 ungefähr 500 Flüchtlinge kamen, was fast 40 % bedeutet.

Elternhaus in Oberzieder im Jahr 1912

Da noch einige Zeitzeugen 70 Jahre nach Flucht und Vertreibung leben, sollen diese mit ihren Schilderungen zu Wort kommen, ebenso wie damalige Einwohner, die etwas über die Unterbringungssituation erzählen können. Da ich selbst einer „Flüchtlingsfamilie“ entstamme, stelle ich das Schicksal meiner Eltern, beide Jahrgang 1924, an den Beginn dieses Sammelblattes. Mein Vater wurde 1942 zum Reichsarbeitsdienst und anschließend zur Wehrmacht eingezogen und kam im Mai 1945 mit seinem Truppenteil in Kötzting in  amerikanische Gefangenschaft. Da er in Oberzieder/Niederschlesien nahe der Schneekoppe jenseits der Oder-Neißelinie zu Hause war, durfte er nicht mehr in seine Heimat. Von Kötzting kam er nach Freising in die Präparandenschule und begann bei den US-Streitkräften als Lagerarbeiter. Meine Mutter, geboren in Troppau im Sudetenland, wurde im Frühjahr 1946 mit ca 20 kg Gepäck vertrieben. Ihr Eisenbahnwaggon, in dem sie sich zusammen mit ihrer Schwester und sechsjährigen Nichte befand, wurde am 3. Mai in Freising ausgeladen, wie im Flüchtlingsausweis, ausgestellt vom Flüchtlingsamt der Stadt Freising am 21. Mai 1954, bestätigt wurde. Im damaligen Hacklbräu kam sie im Saal zusammen mit vielen anderen Flüchtlingen unter. Der Saal war dazu mit Decken abgeteilt worden. Die Eheschließung meiner Eltern erfolgte im Juli 1947, finanziert mit einigen Stangen Zigaretten, die mein Vater von seinem amerikanischen Chef geschenkt bekam. Unterkunft fanden meine Eltern in einem kleinen Zimmer in einem Haus an der Moosach. Als sich meine Geburt im November 1949 abzeichnete und mein Vater keine Wohnung bekam, baute er auf dem ehemaligen Munagelände- heute Waldsiedlung- ein sogenanntes Behelfsheim mit den Ausmaßen 4,5 x 6,5 Meter. Die Baugeschichte unseres Hauses habe ich im Magazin Fink 9/2015 ausführlich mit Bildern geschildert. Das Foto zeigt das Elternhaus meines Vaters in Oberzieder im Jahr 1912 mit dem Buchstaben Z auf dem Dach. Seine Eltern wurden im Frühjahr 1946 vertrieben und landeten schließlich in Tungeln in Oldenburg. Auf dem Bild sind die landwirtschaftlichen Geräte vor der Schmiede zu sehen, sowie die Großmutter meines Vaters. Dreimal hat mein Vater seine alte Heimat besucht, 1987, 1990 und 1996. Beim zweiten Mal war ich auch dabei und beim dritten Mal nahm ich meine ganze Familie mit.

Weitere Berichte von Zeitzeugen zu Flucht und Vertreibung

Die wohl größte Odyssee hat Oskar Hiller, geboren am 31. August 1927 in Alexanderfeld/Bessarabien hinter sich. Bessarabien befindet sich am nördlichen Teil Rumäniens und war von vielen Deutschen besiedelt. Über „Alexanderfeld und das Nachbardorf Paruschowka in Bessarbien“ ist 2008 ein eigenes Buch mit über 500 Seiten in der Druck- und Verlagsgesellschaft Bietigheim mbH ISBN 978-3-935027-11-3 erschienen. Die hier beschriebenen Angaben stammen weitgehend von seiner Ehefrau Rosa Hiller. Am 2. Oktober 1940, gerade einmal dreizehn Jahre alt, musste Oskar zusammen mit seinen Eltern seine Heimat auf Grund eines deutsch-russischen Abkommens verlassen. Die Umsiedler wurden zunächst einmal in Freising, in der bereits erwähnten Präparandenschule untergebracht. Im Mai 1941 erfolgte die Umsiedlung ins Wartheland, ehemals Polen, wo seine Eltern einen Hof übergeben bekamen. 1944 mit noch nicht einmal 17 Jahren erfolgte seine Einberufung zum Arbeitsdienst, aus dem er am 16. Juli entlassen wurde, um sofort zur Wehrmacht eingezogen zu werden. Als Soldat wurde er in Neustadt an der Weinstraße im Frühjahr 1945 schwer verwundet und ins Lazarett nach Würzburg eingeliefert. Hier in Würzburg erlebte er den fürchterlichen Bombenangriff vom 16. März 1945 und wurde anschließend nach Freising verlegt. Von hier aus gelangte er als Soldat bis nach Hirschteich/Ostrowo, wo er am 16. Juli 1945 nach Hallbergmoos entlassen wurde, da er in Würzburg im Lazarett Michael Schäfer vom Schäferwirt, später Gamenik, kennengelernt hatte, denn Deutsche jenseits der Oder-Neisselinie mussten einen Entlassungsort in den von den Alliierten besetzten Zonen angeben. Auf diesen Sachverhalt werde ich noch des Öfteren zu sprechen kommen. In Hallbergmoos arbeitete Oskar zunächst bei Bauern.

Dr. Kurka, der erste Arzt in Hallbergmoos, kam, wie mein Vater ebenfalls aus Schlesien, genau aus Schomberg. Ihm ist bereits das Sammelblatt 38 gewidmet. Die Angaben stammen überwiegend aus den Schilderungen seines Sohnes Helge. Sein Sohn berichtet weiter über einen Schneider Ott aus Prag, der bei Familie Streitberger ein Zimmer hatte. Da er für Hallbergmoos überqualifiziert war, ging er anschließend nach München. Des Weiteren berichtet er über einen Tischlermeister Mücke aus Leobschütz, denn Tischler hießen in Schlesien Schreiner. Weiterhin erinnert er sich an einen Lastwagen Vertriebene aus Eger, die der Bürgermeister Zeilhofer unterbringen musste. So wurden etliche im Saal des Wirtshauses Kaindl untergebracht, wo durch Schränke einzelne Abteilungen gebildet worden waren. Auch Familie Kurka bekam eine Einquartierung durch eine ältere Frau mit ihrer Tochter. Die Vertriebenen die mit Pferdewagen gekommen waren, wurden in Erching untergebracht, wo ausreichend Ställe für die Pferde vorhanden waren.

Die Tochter von Fritz Gentzsch berichtet, dass ihr Vater Jahrgang 1906, am Gymnasium Englisch und Französisch lernte, um anschließend Landwirtschaft zu studieren. Bei einem Praktikum im Postmoos lernte er dabei seine spätere Frau, eine geborene Liebl aus Goldach kennen. Im Krieg war er Betriebsleiter eines Werkes in Brüx/Sudetenland, wo bei einem Bombenangriff seine Frau und sein kleiner Sohn ums Leben kamen. Zuletzt wurde ihr Vater zum Volkssturm eingezogen und meldete sich auf Lautsprecherdurchsagen der Amerikaner in Marktredwitz, die einen Dolmetscher suchten. So kam er mit den Amerikanern schließlich auch nach Goldach. Seine zweite Frau wurde mit der Stieftochter und den im April 1945 geborenen Sohn Fritz im Sommer 1945 von den Tschechen vertrieben. Dabei durften sie 20 kg Gepäck mitnehmen, dass aber beim Grenzübertritt von den Tschechen kontrolliert wurde, wobei alle guten Sachen aussortiert wurden und durch alte wieder aufgefüllt wurden. Beide kamen dann nach Eisenach und wurden dann von Fritz Gentzsch nach Goldach geholt, wo sie dann zunächst bei Familie Liebl unterkamen. Fritz Gentzsch arbeitete zunächst in München im Krankenhaus und anschließend im Fliegerhorst Erding als Dolmetscher.

Bürgerschule in Josefsthal

Herr Gustav Lammel, Jahrgang 1915 aus Antoniwald/Gablonz im Sudetenland war Fachlehrer an einer Bürgerschule. Diese dreijährige Bürgerschule mit Aufnahmeprüfung folgte auf die fünfklassige Volksschule im damaligen Böhmen. Auch meine Mutter hat in Troppau die Bürgerschule besucht, um anschließend Säuglingsschwester zu werden. Gustav Lammel wurde 1939 zur Wehrmacht eingezogen, er machte u.a. Frankreich- und Russlandfeldzug mit, um zum Kriegsende in Thüringen in amerikanische Gefangenschaft zu geraten. Da er einen Cousin in München hatte, wurde er dorthin entlassen, denn eine Entlassung in seine Heimat erfolgte nicht mehr. Hier schlug er sich als Arbeiter in der Klavierfabrik Berdux durch Reparatur von
Klavieren bei einem Stundenlohn von 64 Pfennig zusammen mit seiner Frau durch. Auf Vermittlung des Münchener Kirchenmusikdirektors spielte er sonntags die Orgel im Gefängnis Stadelheim. Dieser erzählte ihm, dass man in Goldach nach einem Organisten Ausschau hält. Vom damaligen Goldacher Pfarrer Pflüger erfuhr er, dass man auch einen Lehrer suchte. So fand er 1947 Anstellung an der dortigen Schule und blieb bis 2. August 1955. Dabei spielte er Orgel und Lehrer Bürger dirigierte den Kirchenchor. Gemeinsam veranstalteten sie Bunte Abende und führten Musikstücke auf. Das Foto zeigt die Bürgerschule in Josefsthal, wo Gustav Lammel bis zu seiner Einberufung als Fachlehrer wirkte.

Auch Herbert Feike, Jahrgang 1921, geboren in Großkresse, Verfasser der 150-Jahrchronik und Hauptlehrer in Hallbergmoos, durfte nach Kriegsende und französischer Gefangenschaft nicht mehr in seine Heimat zurückkehren und kam 1956 nach Hallbergmoos.

Herr Minges, geboren im März 1927, donauschwäbischer Volksdeutscher aus Rumänien, wurde 1945 in Österreich zur Waffen-SS eingezogen, denn zur Wehrmacht wurden nur Reichsdeutsche eingezogen. Die Volksdeutschen, die in Osteuropa zu Hause waren, wurden alle zur Waffen-SS eingezogen, wie es auch noch anderen späteren Hallbergmoosern wiederfuhr. Minges geriet in US-Gefangenschaft und wurde an die Franzosen überstellt, wie es häufiger vorkam. Er befand sich in einem französischen Lazarett und sollte nach Frankreich verlegt werden, als sein Bettnachbar einem Offizier sagte, er wolle in die Fremdenlegion, was im Übrigen auch für Minges gelte. So erhielten beide einen Freifahrtschein für die Bahn. Auf dem Weg zum Bahnhof erzählte ihm sein Bettnachbar, ein Lette, dass er nicht daran denke, in die Legion einzutreten. So machten sie sich auf den Weg in die amerikanische Zone und als der Zug in Freising nicht mehr weiter fuhr, stieg Minges dort aus und fand auf dem Bauernhof von Haslberger Arbeit, da er selbst von einem Bauernhof stammte. Über Bekannte erfuhr er von Hallbergmoos und kam hierher. Er betonte, dass ihn die Hallberger nicht ausgegrenzt hätten, weshalb er im Dorf blieb.

Anton Schweißgut, Jahrgang 1927, wohnhaft, entstammt einem 70 Tagwerkhof in Ungarn. 1944 nach der Besetzung von Ungarn durch die deutsche Wehrmacht wurde er als Volksdeutscher zunächst zum Heimatschutz und anschließend zur SS-Division Prinz Eugen eingezogen. Bei Kriegsende befand sich seine Einheit in Bad Ischl. Sie waren bei einem Bauern einquartiert und besorgten sich Zivilsachen, um sich auf den Weg zu machen. Drei Tage vor Kriegsende marschierten sie mit Gabel und Rechen über die Felder. Seine Eltern waren mit einem Eisenbahnwaggon mit Hausrat nach Königgrätz gebracht worden. Da die Nachbarn nach Vilshofen gekommen waren, zogen seine Eltern ebenfalls dorthin. Später hörten sie von Verwandten, die im Postmoos gearbeitet haben, dass dort Leute gesucht würden. So kamen sie 1946 mit einem Lkw dorthin. Er hat dann Maurer gelernt und anschließend bei der Firma Rentz gearbeitet, entfernte Verwandte von ihm.

Auch Johann Rentz, Jahrgang 1919, in Filopovo/Königreich Jugoslawien, als Sohn von Joseph und Anna Rentz geboren, teilt das Schicksal vieler Deutscher aus osteuropäischen Ländern, wie der auszugsweise Bericht seines Sohnes Mathias wiedergibt. Nach der Volksschulzeit wechselt Johann Rentz auf die Bürgerschule in Hodschag und Topola. Die Bürgerschule war in dem ehemaligen Kaiserreich ÖsterreichUngarn und seinen Nachfolgestaaten weit verbreitet. Anschließend erlernte er das Maurerhandwerk bei seinem Vater, bevor er von 1937-1940 auf die Baufachschule Belgrad wechselte, um die neuesten Bautechniken kennen zu lernen. Seine weitere fachbezogene Fortbildung wird am 8. Mai 1940 durch die Einberufung zur Wehrmacht des Königreiches Jugoslawien unterbrochen. Mit der Besetzung Jugoslawiens durch die deutsche Wehrmacht im April 1941 gerät er in deutsche Gefangenschaft. Nach der Identifizierung als Angehöriger der deutschen Volksgruppe wird er nach kurzer Zeit wieder entlassen und kehrte in sein Heimatdorf zurück. Am 7. Oktober 1941 heiratet er Katharina Pertschy. Nachdem 1942 durch die Eingliederung der Batschka nach Ungarn, ungarisch Amtssprach ist, legte er seine Maurermeisterprüfung im März 1942 in ungarischer Sprache ab. Bereits im April 1942 meldet er seinen eigenen Gewerbebetrieb an. 1943 wird er zur deutschen Wehrmacht eingezogen, 1945 in der Tschechoslowakei verwundet und von amerikanischen Truppen im Lazarett gefangen genommen. Durch seine Einberufung zur deutschen Wehrmacht wird er von seiner Familie getrennt. Seine Ehefrau Katharina mit den 1942 und 1944 geborenen Kindern Mathias und Magdalena, wird am 31. März 1945 im Rahmen der Vertreibung aus dem Heimatort in das berüchtigte Internierungslager Gakowa, Batschka interniert. Auch ihre Mutter Magdalena Pertschy wird mit den 5 minderjährigen Kindern in das Lager eingewiesen. Die Mutter von Katharina Rentz stirbt im Internierungslager, sodass Katharina Rentz sich auch um die 5 Geschwister zu kümmern hat, nachdem ihr Vater Paul Pertschy bereits am 25. November 1944 Opfer des Mordkommandos der Partisanen geworden war. Im Anschluss an seine Genesung wird Johann Rentz in Regensburg aus dem Lazarett entlassen. Über Aldersbach führt ihn sein Weg 1946 nach München. Dort findet er eine Anstellung bei der Firma Braun und ist als Polier beim Wiederaufbau des Regierungsgebäudes an der Maximilianstrasse beschäftigt. Im Postmoos (heute Postschwaige) im Notzingermoos ist die Familie einer Tante einquartiert und beschäftigt, sodass er hier Anschluss findet. Über einen Priester, der als illegaler Kurier Nachrichten aus Deutschland in die jugoslawischen Internierungslager übermittelte, erfährt seine Familie, dass er noch lebte und wo er sich befindet. Seiner Frau Katharina gelingt im Frühjahr 1947 mit ihren beiden Kindern Mathias und Magdalena und gemeinsam mit ihren 5 verwaisten, jüngeren Geschwistern die Flucht aus dem Internierungslager Gakowa nach Bayern. Im Juni 1947 gelingt schließlich die Zusammenführung der Familie im Notzingermoos. Durch die auswärtige Arbeitsstelle reifen die ersten Überlegungen wieder einen eigenen Baubetrieb zu eröffnen. Ermutigt durch den damaligen Bürgermeister Mittermeier der Gemeinde Notzing und Ortsbürgern gründet er einen eigen Baubetrieb, den er am 5. Mai 1949 in der Gemeinde anmeldet. Die ersten Aufträge über Wohn- und landwirtschaftliche Betriebsgebäude in der neuen Heimat werden in Naturalien beglichen. Dank der teilweise verwandtschaftlich verbundenen Mitarbeiter kommt die Jahrhunderte lang geübte Bereitschaft der gegenseitigen Unterstützung und Hilfe zum Tragen. So kann die erste Betriebsausstattung nur durch Darlehen der Mitarbeiter ermöglicht werden. Die Wohnverhältnisse im Postmoos sind sehr beengt. Johann Rentz nimmt die Gelegenheit war, ein Grundstück mit Behelfsheim zu übernehmen. Die Übernahme ist nur deshalb zu realisieren, da der Verkäufer erst eine Bezahlung 1954 verlangt. Lediglich der Zins für diese Jahre war sofort fällig. Die Kreisund Stadtsparkasse Erding übernimmt die Finanzierung. Trotz interessanter Grundstückangebote in Lohhof, Winnenden bei Stuttgart und anderen Orten mit guten perspektivischen, geschäftlichen Aussichten bleibt, die Familie in Goldach. Johann Rentz hatte hier eine neue Heimat gefunden. Heimat bedeute für ihn und seine Familie sehr viel. Er findet in kurzer Zeit einen großen Bekanntenkreis und lebt sich in das soziale Gefüge der Gemeinde Notzing und in Hallbergmoos rasch ein. Findet er doch hier die Freiheit einer aktiven Lebensgestaltung und die Möglichkeit die eigenen menschlichen Bedürfnisse nach Identität, persönlicher Sicherheit und soziale Integration zu realisieren. Trotz der verbesserten Lebensbedingungen bleiben die Sorgen nicht aus. Besonders in den Wintermonaten gibt es für Baubetriebe wenig Beschäftigungsmöglichkeiten und somit keine Einnahmen. Als selbständiger Handwerksmeister hat er auch keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung. Durch erfolgreich ausgeführte Aufträge im Jugendwerk Birkeneck kann er das Vertrauen der Heimleitung gewinnen. Daraufhin wird ihm die Stelle des freigewordenen Ausbildungsmeister im Maurerhandwerk übertragen. Nachdem er bereits am 12. April 1951 die Berechtigung zur Ausbildung von Lehrlingen erhalten hat und im eigenen Betrieb ausbildet, waren allen behördlichen Voraussetzungen für eine Anstellung gegeben und somit ein kontinuierliches Einkommen gesichert.

Bericht von Frau Eschlwech, geb. Pleyerl, Jahrgang 1938 aus Altenteich, Kreis Eger, Sudetenland. Sie musste zusammen mit ihren beiden Brüdern Günther, gerade zwei Jahre alt und Franz, Jahrgang 1933 und ihrer Mutter im Frühjahr 1946 ihre Heimat verlassen. Der Vater war bereits zu Kriegsende nach Freising geflohen. Zunächst mussten sie zu Fuß mit Gepäck und dem Kinderwagen von Günther, der immer ein Rad verlor, nach Eger marschieren. In Eger wurde ihrer Mutter bei einer Kontrolle noch der „Fuchs“ und zwei Ringe abgenommen, den Ehering durfte sie behalten. Danach wurden sie in Viehwaggons verladen und zunächst bei Schloss Falkenstein einquartiert. Danach folgte eine Einquartierung in Wildenreuth auf einem Bauernhof, wo sie von der Bäuerin ein Butterbrot bekam. Von dort hat sie ihr Vater zusammen mit anderen Flüchtlingen mit einem Lkw abgeholt und nach Freising gebracht, wo sie am 20. Juli 1946 eintrafen, wie auf dem Flüchtlingsausweis des Kreisflüchtlingsamtes vermerkt ist. In Freising wurden sie auf dem Domberg auf einem Matratzenlager mit Pritschen untergebracht, bevor sie auf den Landkreis verteilt wurden. Ihre Familie kam nach Hallbergmoos Nr 38 ½ zu Frau Schantini. Die fünfköpfige Familie wurde in einem Zimmer im ersten Stock untergebracht, worin sich ein Doppelbett und ein Schrank befanden. Bruder Günther schlief im Kinderwagen und Bruder Franz auf dem Boden. Das Wasser kam über eine Schwengelpumpe unter der Treppe. Wo und wie ihre Mutter gekocht hat, kann sie sich nicht mehr erinnern.

Bericht von Frau Groth, Jahrgang 1934 ergänzt um die Aufzeichnungen ihres Vaters. Die Familie wohnte in Konradsdorf in der Nähe von Liegnitz in Niederschlesien. Frau Groth hatte noch eine drei Jahre jüngere Schwester. Ihr Vater, der im Mai 1939 zur Wehrmacht eingezogen wurde war im Juni 1944 als dienstuntauglich entlassen worden. Danach arbeitete er wieder in seinem alten Betrieb, der auf Kriegsproduktion umgestellt worden war. Nachdem die Front immer näher gerückt war und in ihrem Heimatort bereits Flüchtlinge aus Oberschlesien eingetroffen waren, kam am 9. Februar 1945 der Befehl zum Verlassen der Heimat. Um 14 Uhr setzte sich dann ein Treck aus 4-5 Pferdefuhrwerken in Gang. Ihr Fuhrwerk lenkte ein Kriegsgefangener. Auf dem Wagen befanden sich neben ihrer Familie noch die Oma des Bauern, der das Fuhrwerk stellen musste und eine weitere Familie. Da auf dem Fuhrwerk auch das Pferdefutter mitgeführt wurde, war nicht mehr viel Platz für eigene Habseligkeiten. Da Frau Groths Vater sein Fahrrad mitgenommen hatte, musste er immer vorausfahren, um Quartier zu machen. Die Unterbringung erfolgte meist in Sälen, Klassenzimmern und in Ställen auf Heu und Stroh. Da vorausfahrende Trecks auch beschossen wurden, suchten sie nach solchen Angriffen immer Deckung in Wäldern. Hinter ihnen sahen sie einen hellen Himmel durch die nachrückende Front. Sie erinnert sich noch, dass ihnen der Kutscher alles über die Pferde erklärt hat und sich einem mitfahrenden Fräulein angenommen hat. Es war kalt und matschig und sie fuhren auch noch über einen Pass, wo die Pferde andere Hufeisen benötigten, worüber sie der Kutscher informierte. Nach knapp sechs Wochen erreichten sie ihr Ziel in Hebrontshausen/Kreis Mainburg. Dort versammelten sie sich auf dem Hof des Gasthauses, wohin auch die Dorfbewohner geschickt worden waren. So fand man durch Gespräche seine aufnehmende Familie, wobei die Flüchtlinge auf Grund der sechswöchigen Flucht verständlicherweise nicht gerade den besten Eindruck hinterließen. Ihre Familie fand Unterkunft in einem 20 m² großen Zimmer, dass über zwei Bänke und einen Tisch verfügte. Als Ofen stand ein Kachelofen zur Verfügung, das Heizmaterial dazu musste mühsam aus den umliegenden Wäldern zu Fuß oder mit dem Handwagen heran geschafft werden. Um Lebensmittelmarken zu bekommen, schildert ihr Vater, musste er sich beim Volkssturm melden. Wochen später kam noch der Schwager von Frau Groths Vater hinzu. Später schlug sich der Vater mit den unterschiedlichsten Arbeiten durch, wobei ihm zu Gute kam, dass er in einem Metallbetrieb gearbeitet hatte und sein Vater Tischler war. Interessant auch die Fluchtroute, die unter anderem über Zittau, Aussig, Brüx an Karlsbad vorbei nach Franzensbad führte. Bei Arzberg erreichten sie die bayerische Grenze. Ihr weiterer Weg führte sie über Tirschenreuth, Konnersreuth, Weiden, Wernberg, Nabburg, Schwandorf, Regensburg, Abensberg, Mainburg und schließlich zum Zielort Hebrontshausen. Dabei ist zu erwähnen, dass das ursprüngliche Ziel, der Landkreis Bayreuth, dort in das Ziel Landkreis Mainburg geändert worden war.

Frau Kreilinger, Jahrgang 1933 aus Nagykozar, Ungarn in der Nähe von Fünfkirchen, donauschwäbischer Abstammung berichtet, dass bei ihnen im Juli/August 1944 Soldaten der deutschen Wehrmacht einquartiert wurden. Nach etlichen Wochen verließen die Soldaten das Dorf wieder, um von ungarischen abgelöst zu werden. Danach kamen dieselben deutschen Soldaten wieder. Zu diesem Zeitpunkt war ihr Vater bereits Soldat. Die Soldaten rieten uns, vor den anrückenden Russen zu fliehen. Da es in Deutschland Lebensmittelkarten gab, die wir nicht kannten, schlachteten die Soldaten ein Schwein für uns. Das Fleisch wurde gebraten und im warmen Fett eingelassen. So hatten wir Fleisch und Fett als Nahrung. Der Volksbund der Deutschen in Ungarn, eine donauschwäbische Organisation, hatte einen Zug in Pecs organisiert und wir banden Gewand und Federbetten für den Transport zu Würsten zusammen. Zum Zug wurden wir, meine Mutter, meine zwei Schwestern, 7 und 15 Jahre alt und ich mit einem Pferdegespann von unserem Hof gebracht. Das Pferdegespann verschwand danach. In den bereitgestellten Viehwaggons war Stroh eingestreut und wir saßen auf unserem Gepäck. Gelegentlich hielt der Zug, damit wir unsere Notdurft verrichten konnten. In Mühldorf wurde der Zug umgehängt und fuhr dann weiter nach Isen. Dort stand ein Lkw, der uns nach Burgrain brachte, wo wir im einzigen Klassenzimmer untergebracht wurden. Auch dort war der Boden mit Stroh bedeckt. Am nächsten Tag wurde das Stroh entfernt und ein Schreiner baute Stockbetten. Das Ganze spielte sich im November 1944 ab. Meine Mutter wurde krank und der Lagerleiter schaffte es, dass mein Vater, der damals in Danzig kämpfte, ein paar Tage Urlaub erhielt. Danach musste er wieder nach Danzig zurückkehren, wo er dann in russische Kriegsgefangenschaft geriet. Erst nach drei Jahren bekamen wir eine Karte von ihm, auf der nur der Absender zu lesen war, alles andere war durchgestrichen. Bis zu seiner Entlassung 1950 erhielten wir noch einige dieser Karten. Meine 15-jährige Schwester trat bei einem Müller eine Stelle als Magd an, worauf wir dort zwei Zimmer bekamen. Ich ging in Burgrain noch ein bis zwei Jahre zur Schule, um dann in einer Küche zu arbeiten für 20 Mark im Monat.

Dr. Edwin Schwarz, Jahrgang 1931, aus der Gegend von Znaim, ging dort ins Gymnasium. Sein Vater war Volksschullehrer und die Familie wohnte im Erdgeschoss der Schule. 1918 nach der Tschechisierung, als die Tschechoslowakei ein eigenständiger Staat wurde, gründete sich ein Kulturverein, der anfangs die deutschen Schulen und Lehrer unterhielt, bis das dann vom tschechischen Staat übernommen wurde. Vor Besetzung des Sudetenlandes 1938 floh seine Familie bereits einmal nach Österreich, da der Vater von Edwin Schwarz Angst vor Überfällen hatte. Die Familie war in einem Hotel im Burgenland, bevor sie wieder in die Heimat zurückkehrte. Nach der Besetzung der Resttschechoslowakei durch die Wehrmacht kam ihr Teil zu Niederösterreich. So kam auch die Hälfte der Schüler des Gymnasiums aus Niederösterreich. Das Dorf in dem Dr. Schwarz lebte, war das letzte deutsche Dorf. Bevor die Russen kamen, herrschte 2 bis 3 Wochen Frontstillstand. Da sein Vater aus einem Bauernhof nahe der österreichischen Grenze stammte und dieser etwas abseits gelegen war, entschloss sich der Vater, mit der Familie dorthin zu gehen. Beim Großvater arbeiteten ein Pole und ein Franzose und der Pole sagte zum Großvater, dass sie den Russen etwas zu essen geben sollten, was der Großvater auch tat. So ließen die Russen das Anwesen unbehelligt. Der Vater wurde auf Tipp eines Tschechen, dem er aus dem Gefängnis verholfen hatte, da er Tscheche war, von den beiden Ausländern zu seiner Tante nach Österreich gebracht. Kurz darauf wollten ihn die Tschechen verhaften. Nachdem sich die Situation verschlimmerte, floh die Restfamilie zu Fuß über ca 6 Kilometer mit allem, was sie tragen konnten, ebenfalls zur Tante nach Österreich. Dort hat Dr. Schwarz auch den Brünner Marsch erlebt, bei dem ca 5.000 Deutsche ums Leben gekommen sind, als sie zu Fuß nach Österreich getrieben worden waren. Da in der Nähe der Tante ein Gefangenenlager mit deutschen Soldaten war, umstellten die Russen nach der Flucht von Soldaten die Dörfer und nahmen wahllos Männer mit, sodass die Zahl der Gefangenen wieder stimmte. So entschloss sich der Vater nach Deutschland zu übersiedeln, was im Februar 1946 mittels eines Viehwaggons geschah, der sie nach Freilassing brachte.

Zeitzeugen zur Situation der Flüchtlinge und Vertriebenen in Hallbergmoos

Die größte Aufnahmestelle war das Schlossgut Erching, zu dem damals der Zwillingshof, Brandstadl und Fischerhof gehörten mit zusammen 720 ha Fläche. So erinnert sich Josef Selmayr, Jahrgang 1940, dass damals alle Winkel und Räume im Gut belegt waren. Das unterstreicht auch der erste Jahrgang an Schülern in der Schule Erching mit 74 Schülern.

Schüler vermutlich des Jahrgangs 1948/49 zusammen mit ihrem Lehrer Köhler
Schüler vermutlich des Jahrgangs 1948/49 zusammen mit ihrem Lehrer Köhler

Das Foto zeigt die 63 Schüler vermutlich des Jahrgangs 1948/49 zusammen mit ihrem Lehrer Köhler (vgl. das Sammelblatt 24 Wirtschaftsgebäude Gut Erching mit Volksschule). Zu den Flüchtlingen gehörte auch die Großmutter von Josef Selmayr aus dem Raum Liegnitz, die mit einem Treck, bestehend aus zehn Pferdefuhrwerken unter Führung seiner 22-jährigen Tante aus Schlesien in ungefähr drei Monaten geflüchtet war. Die Fuhrwerke waren fest an einen Lenker übergeben worden, der für sie verantwortlich war. Ein Fuhrwerk führte nur Futter für die Pferde mit sich. Die Pferde waren von mächtiger Statur, wie er sie bis dahin nicht kannte, beschreibt sie Josef Selmayr. Auch Bekannte aus dem Nachbargut in Schlesien holte seine Mutter nach Erching. Auch die Caritas war auf dem Hof und hat sich um die Flüchtlinge gekümmert, wobei sich Herr Selmayr noch an eine Frau Dick erinnert. Rötzer Philipp war mitseinen acht Kindern im Saal des Schlosses untergebracht. Die jüngste Tochter Frida ist aus dem 2. Stock aus dem Fenster gefallen und landete in einem Rosenstock ohne Verletzungen. Auch Dr. Helge Kurka beschreibt in seinen Erinnerungen, dass ein Treck mit Flüchtlingen aus Eger mit Pferdefuhrwerken in Erching untergebracht wurde, vermutlich 1947. Mit der Währungsreform am 20. Juni 1948 bekamen die Flüchtlinge „Flügel“, schildert Herr Selmayr. Es entstanden die ersten Häuser im Echinger Weg. Noch heute treffen sich alle fünf Jahre die alten Erchinger.

Säle in Wirtshäusern waren bevorzugte Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge. So berichtet Frau Hamburger, dass auch im Neuwirt im Saal sechs bis acht Familien untergebracht waren. Zwei Öfen, die an den beiden Kaminen im Saal angeschlossen waren, dienten den Familien als Kochgelegenheit Als ihre Eltern am 1. Januar 1947 die Wirtschaft wieder übernahmen, waren die Flüchtlinge bereits wieder weg.

Auch im Alten Wirt in Goldach waren im Saal Flüchtlinge untergebracht.

Frau Leni Schäfer erinnert sich, dass in ihrem Bauernhaus im ersten Stock ebenfalls eine Familie untergebracht war. Zum Kochen hatten sie ebenfalls einen Ofen. Das Wasser musste aus der Küche im Erdgeschoss ihrer Familie geholt werden, wo sich ein Brunnen befand. Die Toilette befand sich, wie damals üblich, in Form eines Häuschens mit Herz im Hof.

Auch Johann Neumüller erinnert sich, dass in ihrem Haus im ersten Stock eine Familie untergebracht war.

Erwin Gebhard, Jahrgang 1935 erinnert sich, dass eine Kommission auf der Suche nach Haushaltsgeräten einen zweiten Ofen in ihrem Haushalt für Flüchtlinge beschlagnahmte. Ebenso erinnert er sich, dass im Neuwirt im Saal Flüchtlinge einquartiert waren, nur mit Decken provisorisch voneinander abgeteilt. Daneben wurde getanzt, wie ihm seine älteren Schwestern berichteten. In ihrem Haus erfolgte keine Einquartierung, da sie mit fünf Personen nur je zwei Zimmer im Erd- und Dachgeschoss hatten.

Franz Leiderer Jahrgang 1938 berichtet, dass bei ihm zu Hause in einem Zimmer ein älteres Ehepaar aus Schlesien einquartiert war. Sie sammelten die Kartoffel vom Feld und es gab jeden Tag ein anderes Kartoffelgericht. Dazu hatten sie einen Ofen mit Grandel. Die Frau sammelte im Zenger Moos Holz, das sie in einer Kraxe nach Hause brachte.

Herr Kratzer, Jahrgang 1941 erinnert sich, dass eine Wohnungskommission mit Polizei und Amtsarzt bei ihnen zu Hause vorbeikam und die Wohnung besichtigten. Sie hatten bereits einquartierte Personen, die ausziehen mussten. Dann wurden Egerländer einquartiert, die mit kleinen Wägelchen gekommen waren. Es war eine Familie Ott, der Mann war Schuster. Der Bruder von ihm von Beruf Schneider kam gegenüber im Streitbergeranwesen unter. Seine Frau konnte noch nicht Fahrradfahren und hat es auf der Straße gelernt.

Rosa Hiller berichtet über Egerländer, die zum Schranner (Alter Wirt) mit Lkw aus Freising kamen. Darunter war Thoma Gretl, die Kopp Franz, der beim Schranner als Knecht gearbeitet hat, heiratete.

In das Stanglmairanwesen von Rosa Hiller kam eine Frau Günter mit drei Kindern, deren Mann vermisst war. Zu viert waren sie in einem Zimmer untergebracht. Die Frau arbeitete am Hof mit und hat für alle gekocht. Sie hatte freien Zugriff auf alle Lebensmittel am Hof. Am 21. Juni 1945 kam Oskar Hiller, der spätere Ehemann von Rosa in das Zimmer. Eine Familie Teschauer mit fünf Personen kam bei Fritz Wimmer unter.

Herr Michael Fritz schreibt in seinen Erinnerungen, dass er in der Gefangenschaft in Frankreich 1946 einen Schlesier namens Niepel kennenlernte, der, da aus dem Osten stammte, eine Entlassungsanschrift benötigte, weshalb er ihm seine Heimatadresse gab, wohin Herr Niepel dann entlassen wurde. Später musste er dann in ein Flüchtlingsheim. Nachdem Michael Fritz im Sommer 1946 entlassen wurde, schreibt er in seinen Erinnerungen, dass 1947 eine Frau Ott mit Tochter bei seiner Familie einquartiert wurde. Der Familienvater galt als vermisst.

Herr Kreilinger, Jahrgang 1933, erinnert sich, dass bei ihnen ein Ehepaar mit einer 16-jährigen Tochter einquartiert wurde. Sie haben auf dem Hof mitgearbeitet und beim Ausmisten geholfen. Außerdem erinnert er sich, dass neu ankommende Flüchtlinge ins Schulhaus kamen. Zunächst mussten sie auf Stroh schlafen, danach wurden Betten zusammengenagelt und mit Strohsäcken bestückt.

Schlussbetrachtung

Von Mitte 1944 bis Ende 1947 verloren ungefähr 12 Millionen Deutsche durch Flucht und Vertreibung ihre angestammte Heimat. Wie viele Menschen dabei ihr Leben verloren, verliert sich im Dunkel der Geschichte, man spricht von ca 2 Millionen Menschen, die auf der Flucht und bei der Vertreibung ums Leben kamen. Bekannt ist, dass von der Vertreibung der Deutschen aus Brünn nach Österreich von 27.000 ungefähr 5.000 nicht überlebten. Zu den Flüchtlingen und Heimatvertriebenen kamen noch die Wehrmachtssoldaten aus den Ostgebieten, die nur in die vier Besatzungszonen und nicht mehr in ihre alte Heimat entlassen wurden, wie mit vielen Beispielen in diesem Sammelblatt belegt wurde. Die Aufnahme in den vier Besatzungszonen stieß nicht gerade auf freudige Zustimmung, wurden am Lande doch viele zwangseinquartiert.

Dazu zitiere ich aus dem Artikel „Verteilungskämpfe und eine Zwangsabgabe“, ein historischer Rückgriff: Wie Bayern nach dem Krieg eine ungeheuer schwierige Integrationsaufgabe bewältigte im Freisinger Tagblatt Seite 2 vom 13. Oktober 2015, „Ein nicht enden wollender Strom von Flüchtlingen, Angst vor wachsender Kriminalität, Fremdenfeindlichkeit. „ Die Flüchtlinge müssen hinausgeworfen werden, und die Bauern müssen dabei tatkräftig mithelfen“, sagt ein Redner bei einer aufgeheizten Kundgebung. Eine Pegida-Demonstration im Herbst 2015? Mitnichten. Diese Sätze fallen am Osterfeiertag 1947 auf dem Bauerntag in Traunstein. Der Redner ist Jakob Fischbacher, Mitbegründer der Bayernpartei und des Bayerischen Bauernverbands. Ihn treiben der Hass und die Angst vor Überfremdung: Er schimpft über „Blutschande“. Gemeint sind Heiraten zwischen bayerischen Bauernburschen und zugewanderten Frauen – „diese geschminkten Weibsen mit lackierten Fingernägeln.“ Es bedienten sich so viele Fremde an den bayerischen Futterkrippen, klagt einige Monate später Fischbachers Parteifreund Andreas Schachner in einem Brief, „dass Pogrome nötig wären, um die Gerechtigkeit wiederherzustellen.“ Soweit zu einem zeitgenössischen Bericht. Auch ich kann mich in meiner Kindheit an diverse Vorbehalte gegenüber Flüchtlingen noch gut erinnern.

In Hallbergmoos erfolgte die Einquartierung in der Nachkriegszeit durch den 1. Bürgermeister und/oder Kommissionen durch Inaugenscheinnahme der Häuser. So lebten oft ganze Familien in nur einem Zimmer mit einem, wie dargestellt, beschlagnahmten Ofen. Fließend Wasser war Fehlanzeige und die Toilette als kleines Häuschen mit Zeitungspapier bestückt im Hof. Daneben erfolgte die Unterbringung in Sälen, Baracken oder anderen öffentlichen Gebäuden. Arbeitsplätze waren Mangelware und wenn, nur als Hilfsarbeiter oder Mithilfe in der Landwirtschaft. Oberster Grundsatz allen Handelns galt dem Überleben. Das Verbindende war die gemeinsame Sprache und Kultur. Bei der Religionszugehörigkeit kamen viele Evangelische in das katholisch geprägte Bayern, was nicht immer problemlos verlief. So wurde die Konfessionsschule erst Ende der sechziger Jahre abgeschafft. Zur Problemlösung gab es in Freising ein Stadtflüchtlingsamt und das Kreisflüchtlingsamt des Landkreises, wie den als Anlage beigefügten Flüchtlingsausweisen meiner Mutter sowie von Frau Peyerl zu entnehmen ist. Auf den Ausweisen ist auch der Ankunftstag vermerkt.

Flüchtlingsausweis Maria PeyerlFlüchtlingsausweis Margarethe Zenker

Danksagung

An dieser Stelle bedanke ich mich recht herzlich bei allen Zeitzeugen, die mir bereitwillig Auskunft gaben, Unterlagen, Berichte und Bilder zur Verfügung stellten und auch keine Einwände gegen die Veröffentlichung hatten.

 

Karl-Heinz Zenker
Hallbergmoos im November 2015

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