Am ehemaligen Goldacher Schulhaus befindet sich eine Informationstafel als Teil des Geschichtsweg „Spuren unserer Vergangenheit“.
Mit diesem Sammelblatt soll die Multifunktionalität des Goldacher Schulhauses nachgezeichnet werden. Die Geschichte der Volksschule Goldach findet sich ausführlich in der 150-Jahrchronik der Gemeinde von Herbert Feike auf den Seiten 170 bis 176. Deshalb erfolgt zum Schulhaus nur eine Kurzfassung, ergänzt um bisher nicht veröffentlichte Tatsachen aus dem Mund von Zeitzeugen, insbesondere Herrn Günter Lammel, der mir freundlicherweise auch einige Fotos zur Veröffentlichung zur Verfügung stellte.
Zum Schulhaus
Bedingt durch das Wachstum der neuen Siedlung Goldach entstand die Notwendigkeit einer eigenen Schule, da die Kinder den langen Weg zur Hallbergmooser Schule zurücklegen mussten. Die zweiteilige Schule wurde am 1. Januar 1910 mit damals 113 Schülern eröffnet. Das nachstehende Foto zeigt die Schule im Jahr 1920.
Erster Lehrer war Georg Wörner. Zum 1. Januar 1913 wurde Ludwig Pfahler Schulleiter bis 1929. Ihm folgte zum 1. Juni 1929 Eugen Bürger als neuer Leiter, von dem aus späterer Zeit viele Fotos vom Schul- und Alltagsleben erhalten sind. Hauptlehrer Bürger wurde nach 37-jähriger Tätigkeit am 17. Juli 1966 als Schulleiter verabschiedet und von der Gemeinde Notzing zum Ehrenbürger ernannt. Aus dem umfangreichen Fundus der Fotos von Eugen Bürger habe ich einige Fotos zum Schulleben von damals ausgewählt, die unter anderem die Sportausbildung und Exerzieren zeigen. Wie damals fast üblich, gab es keine Schulturnhalle. Die Exerzierübungen sind sicher bedingt durch die nationalsozialistische Ideologie der vormilitärischen Ausbildung der Jugend. Das linke Foto zeigt Buben bei Kniebeugen in der Alltagskleidung-nicht in Sportsachen-mit Strümpfen bis über die Knie.
Das rechte obere Foto zeigt die Schulkinder vor dem Schuleingang mit sportlichen Übungen, teilweise barfüßig. Das Schild über der Eingangstür „NSDAP Gemeinde Notzing“ belegt, dass das Foto aus der Zeit des 3. Reiches stammt.
Auf den folgenden Fotos sind Buben beim Marschieren zu sehen, wobei einige wieder barfuß gingen. Heutzutage wäre dies in jeder Hinsicht undenkbar. Das rechte Foto zeigt die Instrumentalisierung der Kinder im Sinne des Regimes, da sie sich teilweise mit Gasmasken dem Fotografen stellten.
Nach dem Krieg zeigen zwei Faschingsfotos, dass nun andere Beschäftigungen im Vordergrund standen. Besonders auffallend sind die liebevoll gestalteten Faschingskostüme der Kinder, die so sicher nicht im Geschäft zu kaufen waren. Auf dem 2. Bild der Kaminkehrer ist Günter Lammel, dessen Vater ihm noch eine Leiter gebastelt hat.
Die Schule als Gemeindekanzlei
Mit der Wahl des Goldacher Kaspar Steinmann zum Bürgermeister von Notzing im Jahr 1930 wurde die Gemeindekanzlei, entspricht dem heutigen Rathaus, in das Schulhaus von Goldach verlegt. Das nachfolgende Bild zeigt das Originalschild, das bis zum 30. April 1978 am Schulhaus hing.
Mit dem Zusammenschluss von Goldach mit Hallbergmoos im Rahmen der Gemeindegebietsreform zum 1. Mai 1978 wurde die Gemeinde Notzing aufgelöst und die Aktenbestände sowie Geburts-, Trauungs- und Sterbebücher in die Gemeinde Hallbergmoos überführt und werden Bestandteil des Archivs der Gemeinde, wozu mit Frau Martina Paringer eine Archivarin zum 1. Dezember letzten Jahres eingestellt wurde.
Das Schulhaus als Lehrerwohnhaus
Nach den Erinnerungen von Günter Lammel, Sohn des Lehrers Gustav Lammel, der von 1947 bis 1955 in der Schule Goldach unterrichtete. Die Familie Lammel bewohnte die Dienstwohnung II. Ordnung mit zwei Zimmern im Erdgeschoss. Dort befand sich auch noch die Dienstwohnung I. Ordnung, in der Hauptlehrer Bürger wohnte sowie die Dienstwohnung III. Ordnung, das sog. „Fräuleinzimmer“. Dazu ist anzumerken, dass es bis zur Aufhebung durch das Bundesarbeitsgericht am 10. Mai 1957 ein 1880 eingeführtes „Lehrerinnenzölibat“ gab, das bedeutete, dass Lehrerinnen nach einer Heirat aus dem Schuldienst entlassen wurden (vgl. Wikipedia). Das folgende Foto zeigt Frau Isolde Lammel mit ihrem Bruder Heinz Effenberger und ihren Kindern Ursula und Günter vor dem Erdgeschoss mit den einzelnen Wohnungen von links nach rechts. Ganz links auf dem Foto das Schlafzimmer von Familie Lammel, dann das Fenster der Gemeindekanzlei, das „Fräuleinzimmer“ und die letzten beiden Fenster gehörten zur Wohnung von Eugen Bürger. Erwähnenswert ist noch die Tatsache, dass Eugen Bürger bis zu seinem Kriegseinsatz auch als Organist der Kirche diente und diese Tätigkeit nach Rückkehr aus der Gefangenschaft wieder aufnahm. Als Gustav Lammel nach Goldach kam, übernahm er die Aufgaben des Organisten und Bürger wurde Dirigent des Kirchenchors.
Quellen:
Herbert Feike - Chronik der Gemeinde Hallbergmoos
Fotos: Gemeindearchiv und Günter Lammel
Karl-Heinz Zenker
Hallbergmoos, 11. August 2019